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Dez 17 2014

Paukenschlag im Steuerrecht

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur teilweisen Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuer hat für Unternehmer weitreichende Folgen

Es war wie bei Haydens „Symphonie mit dem Paukenschlag“: Alle wissen, dass er kommt, dennoch zuckt der Saal zusammen. Der Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuer war ein lang erwarteter Paukenschlag. „Der Gesetzgeber ist seit Jahrzehnten in ein Geflecht aus wirtschaftlichen Lenkungsmotiven mit weitreichenden Privilegierungstatbeständen und Typisierungen verstrickt, in dem der verfassungsrechtlich notwendige rote Faden fehlt“, sagt Heinrich Steinfeld, Programmleiter Wirtschaft und Steuern beim renommierten auf Steuer- und Wirtschaftsrecht spezialisierten NWB Verlag in Herne. Diesen roten Faden hat das Verfassungsgericht nun nachgeliefert.

Das Gericht argumentiert mit dem Gleichheitsgrundsatz: Da alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, müssen Privilegien – wie die zur Verschonung des Betriebsvermögens im aktuellen Erbschaftssteuerrecht – rechtlich begründet sein. Bereits bei den Urteilen zur Pendlerpauschale und zur Ungleichbehandlung von verheirateten und in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Beamten beim Familienzuschlag spielte dies eine tragende Rolle: Beide Gesetze hatte das Bundesverfassungsgericht ebenfalls für verfassungswidrig erklärt.

Da die Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuer lange erwartet wurde, haben Unternehmer vielfach schon reagiert. „Das derzeitige Gesetz wird zwar bis zum Inkrafttreten der Neuregelung weiter angewendet“, erklärt Jochen Lüdicke, Honorarprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, „das Bundesverfassungsgericht erlaubt dem Gesetzgeber aber ausdrücklich, die überbegünstigenden Regelungen rückwirkend aufzuheben“, so der Rechtsanwalt und Steuerberater, der auch Präsident des Bundesverbands der Steuerberater und Partner bei der Rechtsanwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer in Düsseldorf ist. Heinrich Steinfeld vom NWB Verlag ergänzt: „Das Verfassungsgericht setzt sich sehr dezidiert mit den einzelnen Privilegierungstatbeständen auseinander und macht dem Gesetzgeber, der an dem derzeit geltenden System festhalten möchte, einen konkreten Reparaturvorschlag.“

Swen Bäuml, Steuerberater und Professor an der Hochschule Mainz, sieht im Urteil bereits die ersten Hinweise, wie das Gesetz künftig aussehen könnte: „Auffällig ist, dass der Senat die Zulässigkeit der Privilegierung von kleinen und mittleren Unternehmen hervorhebt. Er sieht dies aber nicht in Bezug auf große Unternehmen, bei denen der für Familienunternehmen typische personale Bezug zwischen Gesellschafter und Unternehmen fehlt“, so Bäuml, der auch Partner des Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmens KPMG ist. „Dies deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise eine Begünstigungsausnahme für diese Unternehmen vorsehen sollte.“ Als Abgrenzungskriterium komme die Kapitalmarktorientierung dieser Unternehmen in Frage. Auch die Befreiung von kleinen und mittleren Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten von der Lohnsummenkontrolle werde künftig nicht mehr gesetzlich darstellbar sein. Das sei aber eine Frage der praktischen Gesetzesanwendung: „Eventuell lässt sich hier im Verwaltungswege eine Billigkeitsregelung finden, von der die kleinen Betriebe und auch die Finanzverwaltung auch künftig profitieren könnten.“

NWB Verlag

Communications GmbH

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