Seit zwei Tagen geistert das Statement einer freiberuflichen Mitarbeiterin des WDR durch die Medien. Hierbei hatte sie in einem Interview mehrmals gesagt, dass die Chefs des Senders, bei dem sie beschäftigt ist, den Mitarbeitern Vorgaben zur Tendenz der Berichterstattung machen.
Dazu ist zu sagen:
Für den WDR kann ich nicht sprechen, aber seit 14 Jahren arbeite ich als Journalistin und angefangen habe ich, wie die meisten Anfänger: Bei Tageszeitungen bot ich Themen an. Das ließ ich allerdings ziemlich schnell. Denn immer wieder wurden Themen von mir angenommen, die späteren Artikel jedoch abgelehnt, mit der Argumentation, dass der Tenor nicht stimme. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich da was in den letzten 14 Jahren geändert hat. Da werden Artikel bis zur Unkenntlichkeit vom Redakteur umgeschrieben, bis der geneigte Autor sich fragt, wer den denn geschrieben habe, weil er nicht seiner sein kann, da werden Schlüssel- und Basisinformationen entfernt, so dass die Aussagen der Artikel völlig andere sind, oder man erhält direkt die Anweisung, ihn in einem bestimmten Kontext zu schreiben.
Auch bin ich häufig überrascht, wenn ich von Pressekonferenzen ins Büro komme.Ich weiß, dass ein Vertreter der entsprechenden Redaktion auch dort war – und lese etwas, von dem ich mich frage, auf welcher Pressekonferenz derjenige gewesen ist.
Wer diese ganzen Vorgaben allerdings stellt, weiß ich nicht. Aber auffällig ist es allemal.
Andererseits lesen Sie, liebe Leser, ja täglich Ihre Zeitung oder im Internet. Es ist unmöglich, nicht darüber zu fallen, dass die Berichterstattung in Deutschland extrem tendenziös / einseitig ist. Und das schon seit Jahren.
Tatsächlich habe ich mich nie darauf eingelassen, sondern auf die Veröffentlichung und in aller Regel auch auf das Honorar verzichtet. Heute bin ich Industriejournalistin, da passiert das meiner Erfahrung nach, nicht. Denn wenn sich ein Journalist auf so etwas einläßt, ist das im höchsten Maße unseriös, meiner Meinung nach hat das den Touch des Kriminellen, denn Journalisten dürfen nicht, wie der normale Bürger, einfach nur ihre Meinung hinausschreien – sie sind vielmehr rein rechtlich und politisch, die sogenannte „Vierte Gewalt“ im Staat. Deshalb ist die Aussage einiger Medien auch höchst bedenklich, wenn sie sich als „Leitmedien“ und „Meinungsmacher“ sehen. (Nein! Das heißt nicht, dass ich aus diesem Grund Industriejournalistin geworden bin. Industriejournalismus ist tatsächlich das Thema, das mich interessiert).
Was die Argumentation der WDR-Journalistin angeht, sie habe unter Druck gestanden, ist diese Behauptung für mich nicht schlüssig. Journalisten aus allen Genres halten sich regelmäßig auch auf Live-Pressekonferenzen und sonstigen Live-Veranstaltungen auf, bei denen Kameras und Mikrofone anwesend sind und sie bei ihren Fragen immer wieder aufgenommen werden. Dabei kommt es auch regelmäßig vor, dass den Interviewgebern die Fragen unangenehm sind, und sie versuchen, den Journalisten verbal in eine Ecke zu drängen, lächerlich oder unglaubwürdig zu machen etc. Wir sind das gewohnt – und haben da keinen Druck. Schon gar nicht, wenn wir in einem Studio eingeladen sind, denn da gibt es in aller Regel keinen Ärger.
Tatsächlich reden die fünf Minuten darüber ausführlich, und der Interviewer fragt noch zweimal nach. https://www.youtube.com/watch?v=q4f1XIz5WKw (Genau zuhören und etwas lauter stellen, dann ist es verständlich)
Als Rat möchte ich Ihnen noch mit auf den Weg geben: Lesen Sie nicht nur deutsche Medien. Lesen Sie auch ausländische; aus England, Frankreich, USA, China, Japan und ja, auch aus Russland etc. Nehmen Sie sich die Zeit, sich über die politische Situation in Deutschland zu informieren – und auch zu lesen, wie das Ausland uns wahrnimmt.
Wenn Sie die Sprachen nicht beherrschen, vielleicht auch kein Englisch können, eine der großen Zeitungen aus praktisch jedem Land hat in der Regel immer mindestens eine deutsche Ausgabe (so wie SPON auch eine englische hat). Sie müssen sie nur am Kiosk oder im Netz finden (Google ist ja ein bisschen eigen – aber es gibt ja noch andere Suchmaschinen).